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MAINZ - Es beginnt mit schlechter Stimmung. 

Leichtes Zittern, Gleichgewichtsstörungen, zunächst keine ernstzunehmenden Symptome. Doch irgendwann ist das Zittern so stark, dass der Betroffene nicht einmal mehr ein Glas Wasser halten kann. Oder aber die Muskeln in seinen Beinen verkrampfen, sodass er eines nur noch schwer nachziehen kann.

Parkinson betrifft laut Deutscher Parkinson Gesellschaft rund 280 000 Menschen in Deutschland. Hilfe finden Patienten zum Beispiel bei der Selbsthilfegruppe „Jungemeenzerparkis“ in Mainz, die Ansprechpartner für Erkrankte aus ganz Rheinhessen ist. Vor drei Jahren gründete Angela Ertl die Gruppe. „Ich wollte mich gerne selbst in einer solchen Gruppe austauschen, habe aber keine gefunden. Da habe ich mir überlegt, dass ich das auch selbst machen könnte.“

 

Informationen zur Selbsthilfegruppe „Jungemeenzerparkis“ gibt es unter Telefonnummer 0174-7 12 10 28 oder www.jungemeenzerparkis.de.

An diesem Abend sitzen 15 Mitglieder der Gruppe um einen großen eckigen Tisch. Manchen von ihnen sieht man die Erkrankung deutlich an. Sie zittern oder haben Schwierigkeiten, sich mimisch auszudrücken. Bei anderen fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass etwas nicht stimmt. So auch bei Ertl, die vor allem damit zu kämpfen hat, dass sich ihre Muskeln verkrampfen. Das rechte Bein ist schon ziemlich steif, Ertl zieht es etwas schwerfällig hinter sich her.

Sie selbst erkrankte vor rund fünf Jahren an Parkinson, da war sie 44 Jahre alt. „Daher kommt auch das jung im Namen unserer Gruppe; mit 44 an Parkinson zu erkranken, ist schon recht ungewöhnlich.“ Sie selbst musste mit der Diagnose erst einmal klarkommen. „Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.“ Auch ihre Familie steckte das nicht so gut weg. „Die haben das tot geschwiegen“, sagt sie. „Ich wollte allerdings den Austausch. Zum Glück hatte ich meine beste Freundin, die immer für mich da war und ist.“ Mit der Gruppe möchte sie das auch anderen Menschen ermöglichen. „Niemandem soll es so gehen wie mir.“

Einmal pro Monat trifft sich die Gruppe in der Mainzer Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (KISS), immer am letzten Donnerstag im Monat, zwei Stunden lang. Der Austausch unter den Mitgliedern steht dabei im Mittelpunkt. Es ist eine familiäre Atmosphäre, freundlich, offen. Wer über seine Erkrankung sprechen möchte, dem wird hier zugehört. Gegenseitige Motivation und Tipps seien das A und O, sagt die Gruppenleiterin. 

Auch Stimme leidet unter der Erkrankung

Ab und zu organisiert Ertl aber auch Vorträge für die Gruppe. So auch an diesem Abend. Zu Gast ist Mirjam Jöst. Die junge Logopädin stellt den Zuhörern eine Sprachtherapie vor. Denn oftmals leidet auch die Stimme unter der Parkinson-Erkrankung. „Um den Kehlkopf herum sind eben auch nur Muskeln, die Stimme kann monoton und leiser werden“, sagt Jöst. Interessiert lauschen die Männer und Frauen den Ausführungen der jungen Logopädin. Der jüngste Teilnehmer ist 46, die Ältesten sind um die 70 Jahre alt. Auch einige Angehörige begleiten ihre Liebsten. „Das freut mich sehr, denn auch für sie ist das Ganze nicht einfach“, sagt Ertl.

Außer zum Informationsaustausch trifft sich die Gruppe auch noch an jedem dritten Montag zum Sport. Trainer Michael Straschewski, der lange bei der Bundeswehr war, trainiert gemeinsam mit den Teilnehmern und hat für sie ein spezielles Sportprogramm entwickelt. „Da haben wir gemeinsam eine Menge Spaß, richtig toll!“

Durch die Gruppe seien auch tiefere Bekanntschaften entstanden. „Wir unternehmen ja auch etwas als Gruppe, kürzlich waren wir zum Beispiel in Trier. Das war sehr schön.“ An diesem Abend verabreden sich einige, um etwas trinken zu gehen. „Das machen wir auch öfter mal.“ Aber auch bei Festen, Messen oder anderen Veranstaltungen sei die Gruppe präsent, helfe, wo es geht. „Ich freue mich, wenn ich die Gruppe und vor allem die Erkrankung ins Gedächtnis rufen kann.“ Dazu hat sie nun auch einen Simulationsanzug zur Verfügung, mit dem sie zeigen kann, wie sich ein Erkrankter fühlt.

Mittlerweile habe sie sich selbst an die Erkrankung und die Reaktionen gewöhnt, sagt Ertl. Sie gehe sehr offen damit um. „Ich sage mir immer, dass es anderen noch schlechter geht. Ich kann noch gut selbst Dinge erledigen. Und Parkinson hat für mich gute und schlechte Seiten. Ich habe zum Beispiel viele tolle Menschen kennengelernt.“ Seit sie erkrankt sei, habe sich aber auch sehr viel verändert. Früher habe sie als Kassiererin gearbeitet. Das gehe heute nicht mehr. Und: „Ich vertrage die Hitze nicht mehr so gut – früher war ich ein Sonnenanbeter. Eigentlich schade ...“ 

„Ich lache für mein Leben gern“

Auch Angst ist ein ständiger Begleiter, das verschweigt Ertl nicht. „Ich merke derzeit, dass die Krämpfe schlimmer werden.“ Und auch vor dem Maskengesicht fürchtet sie sich. „Ich lache eben für mein Leben gern. Es wäre traurig, wenn das verloren ginge.“

 

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Von Denise Frommeyer

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